Start - Blog - Gießen eine Stadt für alle - auch eine Stadt für ältere Menschen

Gießen eine Stadt für alle - auch eine Stadt für ältere Menschen

„Da haben Sie mir eine gute Seele ins Haus gebracht“, sagt Frau P. Sie sitzt in ihrem Garten und schaut auf die junge Frau neben ihr. Die gute Seele, das ist N.B. Einmal in der Woche besucht sie die 94-Jährige. Dann stehen gemeinsame Gartenarbeit und gute Gespräche an. Die Unternehmungen der Tandem-Pärchens sind vielfältig. Entstanden ist der Kontakt über das Patenschaftsprojekt „Dabei bleiben“ des Freiwilligenzentrums für Stadt und Landkreis Gießen. (Gießener Anzeiger, 5. 8. 20)

Gießen ist im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl die jüngste Stadt in Hessen.
Aber nicht nur der Anteil der jüngeren Bevölkerung ist gewachsen, sondern auch die Gruppe der Seniorinnen und Senioren. D. h. Stadtpolitik muss so gestaltet sein, dass auch diese sich ihrer Stadt wohl fühlen und gut hier leben können, sowohl die „jungen“ Alten als auch die, die Hilfe und Unterstützung brauchen.

Gesellschaftliche Teilhabe

Seit vielen Jahren gibt es die von der Stadt organisierten Seniorentreffs in fast allen Stadtteilen, die 4-5 zentralen Veranstaltungen in der Kongresshalle, die alle 2 Jahre stattfindende Seniorenmesse und natürlich auch Freizeitangebote für Ältere von Wohlfahrtsverbänden und Kirchen-, Sport- und sonstigen Vereine. Da, wo diese Angebote noch nicht ausreichend vorhanden sind, muss in den nächsten Jahren nachgesteuert werden.
Der Seniorenwegweiser – inzwischen in der 6. Auflage - informiert über das breite Angebot an Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe, ebenso wie über Hilfs-, Unterstützungs-  und Betreuungsangebote.

Mobilität und Barrierefreiheit

Im Gegensatz zu früheren Zeiten gehört Barrierefreiheit heute zum Standard aller Um- und Neubauten und auch im Bestand wird Schritt für Schritt nachgebessert. .
Für die Mobilität -gerade älterer Menschen- gehört ein gutes Busnetz zu den Voraussetzungen, sich in der Stadt bewegen zu können. Beim aktuell neu zu entwickelnde Verkehrsentwicklungsplan (VEP) wird deshalb darauf zu achten sein, dass Vertaktung, Ein- und Ausstieg und die Gestaltung der Bushaltestellen diesen Bedürfnissen gerecht werden.
Die Benutzung des eigenen Autos ermöglicht Seniorinnen und Senioren eine gewisse Mobilität. Auch wenn die autofreie Innenstadt ein wichtiges Anliegen ist, müssen dort noch Parkmöglichkeiten, nicht nur für Behinderte, sondern auch für mobilitätseingeschränkte Menschen zur Verfügung stehen. Wie wäre es mit einem neuen Parkschild mit einem Menschen mit Rollator? Das wäre niedrigschwelliger als das ausgewiesene Behindertenparken.

Quartiersentwicklung und Nachbarschaftshilfen

Wer mobil eingeschränkt ist und/oder wenig finanziellen Spielraum hat, lebt eher isoliert und hat wenig Möglichkeiten, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und auch die Bewältigung des Alltags, wie z. B. das Einkaufen, die Haushaltsführung, Arzt- und Behördenbesuche können nicht mehr allein bewältigt werden. 
Ehrenamtlich organisierte Nachbarschaftshilfe gibt es in Ansätzen schon in einigen Stadtquartieren. Aufgabe der Politik wird es sein, weitere Initiativen anzustoßen und zu unterstützen.
Das von der Stadt finanziell unterstützte Freiwilligenzentrum für Stadt und Landkreis Gießen hat 2019 zusammen mit der Caritas das Patenschaftsprojekt „Dabei bleiben“ gestartet. Oft jüngere Paten besuchen regelmäßig ihre Seniorin / ihren Senior,  gestalten gemeinsam Freizeit, machen Spaziergänge oder begleiten bei einem Arztbesuch.
Auch neue Wohnformen, wie das auf der Philosophenhöhe geplante Mehrgenerationenwohnen, können dazu beitragen, Isolation und Einsamkeit gar nicht erst entstehen zu lassen.

„Digitalpakt Alter“

Die durch die Corona-Pandemie notwendig gewordenen Kontaktbeschränkungen vom privaten Bereich bis hin zu den Besuchsverboten in den Pflegeheimen haben ein neues Bewusstsein – auch bei älteren Menschen- dafür geschaffen, dass die Benutzung digitaler Medien eine Möglichkeit ist, Kontakte aufrecht zu erhalten, und durchaus auch eine Hilfe bei der Bewältigung des Alltags sein können. Es hat sich aber auch gezeigt, dass nicht nur die Verfügungstellung solcher Geräte ausreicht, sondern der Umgang damit erst gelernt werden muss. Die Volkshochschule, Bildungsträger und junge Ehrenamtliche sind gefragt, hier noch mehr niedrigschwellige Angebote zu machen, wie das in der Südstadt und den Zentren der Gemeinwesenarbeit schon passiert.

Ehrenamtliches Engagement von Seniorinnen und Senioren

Bürgerschaftliches Engagement ist unverzichtbar für das gute Zusammenleben in einer Kommune. Statistiken belegen, dass gerade Ältere – nach der Berufs- und Familienphase- gerne bereit sind, sich zu engagieren und Verantwortung für andere zu übernehmen.
Sie tun dies auch, weil sich damit neue Kontakte und Austauschmöglichkeiten ergeben.
Das schon genannte Freiwilligenzentrum und der „Verein Ehrenamt“ vermitteln, qualifizieren und betreuen die Ehrenamtlichen. Der wie das Freiwilligenzentrum von der Stadt finanziell geförderte Verein Ehrenamt hat 160 Mitglieder, vorwiegend ältere Menschen, die u. a. im Oberhessischen Museum, der Kunsthalle oder bei den zentralen Seniorenveranstaltungen der Stadt tätig sind.
Ehrenamtliches Engagement wird gebraucht in allen Bereichen, im Sport, in den Schulen und Kitas, bei jungen Familien, im kulturellen und sozialen Bereich.