Start - Blog - „Zwei brennende Herzen für Gießen“

„Zwei brennende Herzen für Gießen“

27.Januar 2021

Nach 12 Jahren erfolgreicher Amtszeit soll auf Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz (SPD) der direktgewählte Gießener SPD-Landtagsabgeordnete Frank-Tilo Becher folgen

Die amtierende Gießener Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz (SPD) tritt nach 12 Jahren bei der kommenden Direktwahl des Stadtoberhaupts der rund 90.000 Einwohner-starken mittelhessischen Universitätsstadt im September 2021 aus persönlichen Gründen nicht wieder an. Für die SPD Gießen soll stattdessen der derzeitige, 2018 von den Gießener*innen direktgewählte, Landtagsabgeordnete Frank-Tilo Becher ins Rennen um das höchste Amt in Gießen gehen. Die Direktwahl des Oberbürgermeisters findet voraussichtlich zusammen mit der Bundestagswahl am 26. September 2021 statt.

Darüber informierte das SPD-Stadtverbandsvorsitzendenteam Nina Heidt-Sommer und Christopher Nübel am Dienstag die Öffentlichkeit. Becher ist vom Stadtverbandsvorstand bereits am Montag nominiert worden, ein Parteitag der Sozialdemokrat*innen soll das Votum am 26. März 2021 bestätigen.

Nach zwei Legislaturperioden, nach insgesamt 12 Jahren im Amt sei sie keineswegs amtsmüde, sagte die 63jährige Grabe-Bolz im Rahmen eines Pressegesprächs. Es seien vielmehr private Gründe, die sie zu dieser Entscheidung bewogen hätten: „Ich möchte wieder mehr selbstbestimmte Zeit haben für Familie, Freunde, Hobbys. Es ist ein guter Zeitpunkt zu gehen, wenn man einerseits fit ist und sich auch auf ein Leben ohne hauptamtliche Politik freuen kann und andererseits weiß, dass man alles in gute Hände legen kann, die dieses wunderbare Amt bei einem Wahlerfolg bestens weiterführen könnten,“ so die OB. Frank-Tilo Becher, der neue Kandidat, sei eine hervorragende Wahl dafür, sagte Grabe-Bolz. Sein Herz brenne - wie ihres - für Gießen. Als „charismatischer Ermöglicher“, als der er zu Recht bezeichnet wurde, sei er die richtige Persönlichkeit, um Gießen, eine Stadt mit großen Stärken, Potentialen, Herausforderungen und Entwicklungsbedarfen, zusammenzuhalten und zusammenzuführen. Es sei die wichtigste Aufgabe für die Zukunft, eine zunehmend auseinanderfallende Gesellschaft zu einen, das schwindende Vertrauen der Bürger*innen in die Politik bzw. die Repräsentant*innen der Politik wieder zu stärken. „Das kann Frank-Tilo Becher.“

Becher selbst freut sich über die Möglichkeit, für das Amt des Oberbürgermeisters zu kandidieren und beschreibt sich hochmotiviert, diesen verantwortungsvollen Gestaltungsauftrag in und für seine Stadt zu übernehmen. „Ich kenne diese Stadt mit ihren Menschen wirklich gut, weiß um Stärken und Schwächen und habe eine große Leidenschaft für diese „Urbanität in Überschaubarkeit“ entwickelt“, führt Becher aus. Der 57-jährige, der 1994 als Pfarrer der evangelischen Paulusgemeinde nach Gießen kam, ist durch seine Arbeit in der Nordstadt und ab 2002 als hauptamtlicher Dekan und Leiter des Kirchenbezirks in Gießen und Umgebung stark vernetzt. Er bringt Erfahrung aus Verwaltung, sowie Organisations- und Personalentwicklung mit.

Becher hat in seiner Zeit in der Gießener Nordstadt als Vorsitzender eines Trägerverbundes maßgeblich im Projekt der Stadtteilentwicklung mitgewirkt. Eine Neuaufstellung der kirchlichen Kindertagesstätten, sein Vorsitz im Aufsichtsrat der Jugendwerkstatt Gießen und die Etablierung interreligiöser Gesprächsstrukturen markieren einen beruflichen Weg, der deutlich von seinem gesellschaftspolitischen Engagement gekennzeichnet ist. Das hat ihn letztlich auch zu seiner Kandidatur für den Hessischen Landtag geführt. Bei dieser Wahl haben ihm die Bürgerinnen und Bürger 2018 mit der Direktwahl die politische Interessenvertretung in Wiesbaden anvertraut.

Becher hat drei erwachsene Kinder und ist mit Jutta Becher verheiratet. Er beschreibt sich selbst auf seiner Homepage als „neugierig und begeisterungsfähig“ (www.becher-spd.de).

Das Vorsitzenden-Team des SPD-Stadtverbandes zeigt sich über den „personellen Coup“ erfreut. „Selbstverständlich schwingt Wehmut mit, wenn nach zwölf erfolgreichen Jahren unsere Oberbürgermeisterin nicht mehr zur Wahl antreten wird, allerdings steht mit Frank-Tilo Becher ein Kandidat zur Verfügung, der direkt an diese hervorragende Amtszeit anknüpfen kann. Wir sind glücklich, den Gießener*innen einen Kandidaten präsentieren zu können, der schon bewiesen hat, dass er Direktwahlen gewinnen kann und der inhaltlich sowie menschlich überzeugt“, so Nina Heidt-Sommer und Christopher Nübel. Der SPD-Stadtverbandsvorstand habe entsprechend in einer gemeinsamen Videokonferenz mit der SPD-Stadtfraktion die Nominierung von Frank-Tilo Becher einstimmig vorgenommen. „Neben den zahlreichen Respektsbekundungen und Dankesworten an Dietlind Grabe-Bolz für zwölf herausgehobene Jahre, haben wir viel Aufbruchstimmung vernommen und eine hohe Motivation der Partei. Wir wollen diesen Schwung nun mit in den Kommunalwahlkampf und darüber hinaus in die OB-Wahl nehmen. Wir sind bestens aufgestellt und haben als einzige Partei in Gießen einen Kandidaten für die OB-Wahl benannt“, so das Vorsitzenden-Team Heidt-Sommer / Nübel.

OB Grabe-Bolz erläuterte ihren Rückzug ausführlich: Das Amt, das sie frei nach Franz Müntefering als „Schönstes nach dem Papst“ bezeichnete, sei sehr erfüllend, verlange allerdings auch viel; viel Verzicht auf private, selbstbestimmte Zeit und volle Einsatzfähigkeit rund um die Uhr.

„Das habe ich als OB stets voller Freude, Ideen und Leidenschaft getan und werde das auch bis zum letzten Tag meiner Amtszeit im Dezember weiter tun. Ich bin nun allerdings in einem Alter und in familiären Lebensbeziehungen, in denen weitere 6 Jahre schwerer wiegen als in jüngeren Lebenszeiten. Ich möchte in den nächsten Jahren wieder mehr Zeit mit meiner Familie haben, meine Enkel aufwachsen sehen, wieder mehr Freizeit in unserer schönen Stadt bei Kultur, Musik, mit Fahrradfahren, Sport und auch auf Reisen verbringen können. Heute bin ich fit und hoffe, das noch lange zu sein. Aber niemand weiß, wieviel „gute“ Zeit in Gesundheit und Vitalität einem bleibt. Der Entschluss, nicht wieder anzutreten, hat deshalb nichts mit Amtsmüdigkeit zu tun. Ich fühle mich nach wie vor motiviert, voller Energie und Gestaltungswillen. Aber man muss sich nicht nur fragen, wie fit bin ich am Wahltag im September 2021, sondern werde ich für weitere 6 Jahre noch die nötige Frische, Motivation und Begeisterung haben, um mich täglich 100 % für unsere Stadt einzusetzen - und nur das entspricht meinem Selbstverständnis und Verantwortungsbewusstsein der Amtsführung. Die Wählerinnen und Wähler verdienen ein überzeugendes Bekenntnis zum Einsatz für ihre Stadt“, so die OB.

Grabe-Bolz zurückblickend: „Ich werde mit einem lachenden und einem weinenden Auge gehen. Ich habe in meinen Jahren als OB stets alles an Energie, Ideen und Einlassung mit Freude gegeben und ich denke, ich habe viel erreicht für Gießen. Wenn ich im Dezember Abschied nehme, gehe ich mit Dankbarkeit, diese wunderbare Stadt 12 Jahre entwickelt und gestaltet haben zu dürfen und der Gewissheit, dass es eine gute Zeit war, in der ich – gemeinsam mit zahlreichen Engagierten - Weichen für ein aufstrebendes, sozial- ökologisches, vielfältiges, attraktives und zukunftsfähiges Gießen stellen, Vieles bewegen und den Menschen mit Offenheit, Interesse und Nahbarkeit begegnen konnte“, so die OB.

Grabe-Bolz weiter: „Mir ist bewusst, dass ich mit meinem Entschluss viele Bürger*innen überrasche, ja vielleicht sogar enttäusche. Fast täglich bin ich in den letzten Wochen von Menschen angesprochen worden mit der Bitte weiterzumachen. Auch deshalb habe ich mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht, im Gegenteil. Es ist mir wichtig und ich hoffe sehr, dass die Menschen Verständnis für meine Entscheidung aufbringen und diese - vor dem von mir beschriebenen Hintergrund – nachvollziehen können.

Weil „100 % Gießen“ in jeder Beziehung meinem Selbstverständnis entspricht, werde ich natürlich bis zum letzten Tag das OB-Amt verantwortungsvoll ausfüllen – und das ist immerhin noch fast ein Jahr, in dem ich weiter geordnete Finanzen, notwendige Investitionen, die Umsetzung des Klimabeschlusses, Förderung des sozialen Wohnungsbaus, die Museumssanierung, den Kulturgewerbehof, die Fertigstellung des Gefahrenabwehrzentrums uvam voranbringen werde.

Als meine vordringlichste Aufgabe sehe ich es, die Menschen gut durch die belastende Corona-Zeit zu begleiten und alles dafür zu tun, dass unsere Stadt während und vor allem auch nach dem Lockdown wieder mit Leben gefüllt wird und zukunftsfähig bleibt.“

Auch Frank-Tilo Becher begründete seine Kandidatur ausführlich:

„Ich habe, wie viele Menschen innerhalb und außerhalb unserer Partei, darauf gehofft, dass Dietlind Grabe-Bolz für eine weitere Legislatur zur Verfügung steht und sich ihre großartige Amtsführung fortsetzen wird. Ich war darauf eingestellt, sie darin zu unterstützen.“, nimmt Becher zum Rückzug der amtierenden OB Stellung. Die Anfrage zur Kandidatur habe ihn vor eine schwerwiegende Entscheidung gestellt, weil er sich seinem Landtagsmandat für den Gießener Wahlkreis verpflichtet fühle. Becher ist als Mitglied des Sozial- und Integrationspolitischen Ausschusses für seine Fraktion für die Themen Jugend, Flucht und Asyl, Ausbildung und Ehrenamt zuständig. Darüber hinaus ist er Obmann der SPD im Unterausschuss Justizvollzug und Religions- und Kirchenpolitischer Sprecher.

„Schließlich haben mir aber Herz und Verstand sehr klar und deutlich den Weg zu dieser Kandidatur gewiesen“, unterstreicht Becher und fügt hinzu: „Aus einer großen Verbundenheit mit meiner Stadt und den Menschen heraus, fasziniert mich diese Möglichkeit, Gießen als Oberbürgermeister auf guten Wegen in die Zukunft zu führen. Ich kann dazu an Erfahrungen und Kontakten aus so vielen Jahren anknüpfen und bringe die Offenheit und Leidenschaft mit, dafür auch neue Ideen zu entwickeln.“

Becher sieht wegweisende Entscheidungen auf die Stadtpolitik zukommen und nennt exemplarisch den Klimaschutz, die Zukunft der Mobilität und die Entwicklung der Innenstadt. Dafür brauche es eine Politik mit Weitblick, die Orientierung gibt. Gießen habe außerdem eine lange und gute Tradition, sich um sozialen Ausgleich und eine integrative Haltung zu kümmern. Das wird für den gesellschaftlichen Zusammenhalt noch an Bedeutung gewinnen und dass müsse vom Amt des Oberbürgermeisters ausstrahlen. Dafür wolle er einstehen.

Frank-Tilo Becher ist in Hainstadt am Main nahe Seligenstadt aufgewachsen. Seine theologische Ausbildung hat ihn nach Frankfurt, Hamburg und Wiesbaden geführt, mit einem einjährigen Zwischenstopp in New York, wo er beim Lutherischen Weltbund bei den Vereinten Nationen ein Spezialpraktikum absolviert hat.

„Ich habe auf meinem bisherigen Berufsweg viele Erfahrungen sammeln können, wie wichtig gute Kommunikation ist. Das wird in einem Rathaus genauso gebraucht, wie fürs Gespräch auf der Straße mit den Bürgerinnen und Bürgern oder für eine gelingende Bürgerbeteiligung. Dass man sich in Gießen zuhört, miteinander spricht und aufeinander achtet, das ist die politische Kultur, für die ich einstehen und die ich mit anderen zusammen weiter entwickeln möchte. Denn ich bin davon überzeugt, dass wir das dringender denn je brauchen werden, um die gesellschaftlichen Herausforderungen so zu meistern, dass alle mit ihren Interessen und Bedarfen angemessen gehört werden“, führt der bekennende Gießener seine politische Leitlinie aus. „Gießen mit seiner Vitalität und kulturellen Vielfalt, mit den vielen Studierenden und seiner hochengagierten Bürgerschaft steckt noch voller Potential“ ist sich Becher jedenfalls sicher. „Gießen ist eine Stadt mit wachsender Strahlkraft. Das freut mich und motiviert mich zusätzlich zu dieser Kandidatur.“

Weil er sein Landtagsmandat bei Nina Heidt-Sommer, der gegebenenfalls nachrückenden Kandidatin, in besten Händen wisse und weil seine Familie die Entscheidung zur Kandidatur unterstütze, hoffe er jetzt auf ein starkes Votum vom SPD-Parteitag, um dann mit viel Rückenwind den Gewinn der Oberbürgermeisterwahl in Gießen in Angriff zu nehmen, schließt Becher seine Erklärung.